Winterschlaf bei Landschildkröten und Wasserschildkröten

Warum überhaupt Winterschlaf?

Europäische Landschildkröten können nicht wie Säugetiere ihre Körpertemperatur konstant halten. Das heißt: bei sinkenden Außentemperaturen sinkt auch die Körpertemperatur der Schildkröte. Im Herbst und Winter wird es nun außen so kalt, dass die Schildkröte ihre Körperfunktionen nicht mehr aufrecht erhalten könnte. Die Natur hilft den Schildkröten, indem Sie ihnen den Instinkt zum Winterschlaf mit auf den Lebensweg gegeben hat. Wird es kälter, sucht sich die Schildkröte ein geschütztes Winterquartier oder gräbt sich tief in die Erde ein. Im Winterschlaf läuft der ganze Körper auf Sparflamme. Das Tier muß weder fressen noch trinken, und ist in einem tiefen Schlaf. Sie denken sich jetzt vielleicht: Bei mir im Terrarium ist es ja zum Glück immer schön warm, und meine Schildkröte muß gar nicht winterschlafen. Auf den ersten Blick haben Sie da recht, aber: Der Winterschlaf ist für die Landschildkröten nicht nur eine Überlebensstrategie bei frostigen Temperaturen, der Winterschlaf ist auch ausgesprochen erholsam für die Tiere. Wenn Sie züchten wollen, ist die Winterpause unbedingt nötig, um die Voraussetzungen für die Paarung und die Eiablage zu schaffen, denn Schildkröten wollen wissen, welche Jahreszeit gerade ist. Der Winterschlaf dauert je nach Art verschieden lange: z.B. schlafen maurische Landschildkröten nur wenige Wochen, und ihre Verwandten, die Vierzehenschildkröten, schlafen dagegen ganze fünf Monate. Für unsere Hausgenossen ist ein mindestens zweimonatiger Winterschlaf anzustreben, um den Tieren die notwendige Erholung zu gönnen.

Welche Schildkröten dürfen nicht winterschlafen?

Kranke und magere Tiere sollen nicht in den Winterschlaf gelegt werden, da sie sonst im Schlaf sterben könnten. Gelegentlich gibt es auch Schildkröten, die sich trotz vorbildlicher Vorbereitungen schlichtweg weigern zu schlafen. In diesem Fall sollte man die Tiere nicht zum Winterschlaf zwingen! Sie können den Winter im Terrarium unter einer UV-Lampe (z.B. Osram-Vita-Lux 300W, Abstand 80-100 cm, 20 min. pro Tag oder Reptisun UVB 5.0 12 Stunden pro Tag, Beratung zu Terrarienlampen erhalten Sie in GUTEN Fachgeschäften) verbringen.

Wie bereite ich den Winterschlaf vor?

Ca. zwei Monate vor dem Winterschlaf ist je nach Fall eine Wurmkur sinnvoll. Später sollte jedoch nicht mehr entwurmt werden, da Rückstände die Tiere schädigen könnten. Eine Woche vor dem geplanten Winterschlafbeginn darf die Schildkröte nicht mehr gefüttert werden. Der Darm muß vollständig entleert sein! Erst wenn kein Kot mehr abgesetzt wird, darf der Winterschlaf beginnen. Die Schildkröte wird in der letzten Woche alle zwei Tage für je 20 min. bei 25°C gebadet. Als Zusatz können Vitamin-C- oder Multivitamin-Brausetabletten ins Badewasser gegeben werden (ca. 1 Tablette/ 3 Liter Wasser). Der Wasserstand soll so sein, dass die Schildkröte noch bequem stehen kann. Geschlechtsreife Weibchen dürfen keine Eier mehr tragen, im Zweifelsfall kann dies durch eine Röntgenuntersuchung abgeklärt werden.

Wie sieht eine Winterschlafkiste aus?

Die Kiste sollte mindestens dreimal so lang sein wie die Schildkröte selbst, und auch dreimal so breit wie das Tier. Die Kiste muß so hoch sein, dass die Schildkröte nicht herausklettern kann. Wenn Sie nicht hundertprozentig sicher sind, dass am Winterschlafort KEINE Mäuse oder Ratten eindringen können, muß die Kiste einen festsitzenden Draht-Deckel haben, der so engmaschig ist, dass die Nager nicht hindurchkönnen (z.B. Hasendraht und Fliegendraht darüberspannen!). Gefüllt wird die Kiste mit unbehandeltem Rindenmulch, Gartenerde, Moos oder Laubblättern. Die Einstreu soll mindestens doppelt so hoch sein wie die Schildkröte, damit sie sich gut eingraben kann.

Wie lege ich meine Schildkröte in den Winterschlaf?

Im Terrarium

über 2-3 Wochen die Beleuchtungszeiten mit dem UV-Strahler langsam verkürzen. Genauso die Temperatur im Terrarium langsam auf 4 - 8°C absenken. Falls es im Zimmer zu warm ist, das Terrarium in einen kälteren Raum (Keller o.Ä.) bringen. Wie oben beschrieben baden (Achtung: Kopf soll nicht unter Waser tauchen - sonst ertrinkt Ihr Tier! Legen Sie einen großen Stein o.ä. in die Wanne, an dem die Schildkröte hochklettern kann, um den Kopf hochzulagern).

Im Freiland

Durch die Klimaveränderung draußen wird die Schildkröte von selbst träger und frißt weniger. Holen Sie sie dann herein, baden Sie sie wie oben beschrieben und überwintern Sie sie in ihrer Winterschlafkiste.

Wie überwache ich den Winterschlaf meiner Schildkröte?

Notieren Sie unbedingt das Ausgangsgewicht Ihres Tieres! Legen Sie eine Gewichtskarte an, kontrollieren Sie einmal im Monat, besser alle 14 Tage das Gewicht des Tieres. Wenn die Schildkröte mehr als 10% Gewicht verlieren sollte, muß der Winterschlaf abgebrochen werden: bringen Sie die Schildkröte in einen warmen Raum, geben Sie Futter und Wasser, und kommen Sie rasch in die Praxis, damit wir die Ursache für die Abmagerung oder Austrocknung finden und abstellen können. Kontrollieren Sie die Umgebungstemperatur: sie soll nicht über 10°C ansteigen, da die Schildkröten sonst nicht tief genug schlafen. Dieser "Halbschlaf" ist sehr gefährlich, weil die Tiere relativ viel Energie verbrauchen und im Schlaf verhungern können. Die Luftfeuchtigkeit soll relativ hoch sein, aber die Einstreu darf nicht nass sein. Besprühen Sie ggf. die Streu leicht mit einer Blumenspritze.

Wie überwintere ich meine Schildkröte im Kühlschrank?

Kühlschrank mit Schildkrötenkiste und min-max-Thermometer    

Das ist kein Witz!
Man kann Schildkröten prima im Kühlschrank überwintern. Dazu wird die Schildkröte, wenn Sie fertig vorbereitet ist, mit einer kleinen Kiste in den Kühlschrank gestellt. Benutzen sie bitte unbedingt ein Minimal-Maximal-Kühlschrankthermometer, um sicherzustellen, dass die Temperatur stets zwischen 4 - 8°C liegt. Einfrieren wäre tödlich, ebenso Temperaturen über 10°C (siehe vorheriger Absatz). Ein bis zweimal wöchentlich muß die Tür kurz geöffnet werden, um für frische Luft zu sorgen.

Warum soll meine Schildkröte nicht einfach im Freien winterschlafen?

Wenn sich die Schildkröte nicht tief genug eingräbt, oder die Temperaturen ungewöhnlich tief sinken, friert der Boden zu tief ein, und die Schildkröte erfriert. Außerdem besteht die Gefahr, daß, die Schildkröte im Winterschlaf von anderen Tieren (Ratten, Mäusen ...) verletzt und regelrecht lebendig aufgefressen wird.

Wie wecke ich meine Schildkröte wieder auf nach dem Winterschlaf?

Erhöhen Sie die Temperatur schrittweise auf Zimmertemperatur, verlägern Sie die "Belichtungszeit" wieder auf "Sommerzeit", d.h. ca. 14 Stunden, und bieten Sie Wasser und Futter an. Sobald Ihr Tier wieder wach ist, baden Sie es nochmals wie vor dem Winterschlaf. Wenn die Schildkröte nicht fressen sollte, kommen Sie bitte rasch in die Praxis.

Was muß ich bei Wasserschildkröten anders machen?

Die Fütterung wird eingestellt. Wasserschildkröten werden ebenfalls in einer Woche dreimal gebadet bei 30°C, (die Tiere dürfen natürlich auch untertauchen und auch Badewasser trinken). Das Winterschlafaquarium muß ungefähr halb Wasserbereich und halb Landbereich haben. Die Temperatur wird im Aquarium über 2 Wochen auf 5 - 15°C reduziert. Die Lichtdauer soll von 14 Stunden auf 8 Stunden abgesenkt werden. Dann wird das ganze Behältnis (ggf. ein kleineres Winterschlaf-Aquarium verwenden) in den Keller verbracht. Dort soll die Temperatur wie bei den Landschildkröten um 4 - 8 °C liegen. Dunkelheit tut ebenfalls gut. Auch die Wasserschildkröten benötigen einen mäusesicheren Deckel. Lassen Sie den Schmutzfilter unbedingt laufen, da es durch die Temperaturen und die Dunkelheit zu Algenwachstum kommen kann, und das Wasser sonst umkippt. Kontrollieren Sie auch bei den Wasserschildkröten regelmäßig das Gewicht und die Wasserbeschaffenheit, sowie die Funktionsfähigkeit des Filters und die Wasser- und Luft-Temperatur. Nach dem Winterschlaf wird die Lichtdauer und Temperatur über 2 Wochen wieder schrittweise angehoben, bis Sie bei 14 Stunden Lichtdauer und der für Ihre Art richtigen Temperatur angekommen sind. Futter wird erst ab 20°C wieder angeboten, vorher klappt's mit der Verdauung sonst noch nicht.
Kleintierpraxis Möller-Seeling, Berstadt, 30.06.2004