Narkose-Aufklärung

Was ist eine Narkose?

Die meisten chirurgischen Eingriffe müssen ebenso wie die Sanierung der Maulhöhle und bestimmte Röntgenuntersuchungen bei den Haustieren unter Narkose erfolgen. Unter Narkose versteht man die medikamentelle Beruhigung des Patienten, die mit Schmerzausschaltung am ganzen Körper, Muskelerschlaffung und tiefem Schlaf einhergeht. Hierzu werden bestimmte Medikamente (Narkotika, Sedativa, Anästhetika) eingesetzt, die eine vorübergehende Aufhebung der Funktion bestimmter Nervenzellen bewirken. Das heißt: der Hauptwirkungsort von Narkosemedikamenten ist das Nervensystem.

Risiken einer Narkose

Gleichzeitig haben Narkotika aber auch einen Einfluß auf andere Körperfunktionen, wie z.B. auf die Magen-Darm-Aktivität, Atmung, Kreislauf, Herzarbeit, Temperaturregulation u.A. Hier kann es dann zu einer unerwünschten Wirkung kommen, evtl. tritt ein Narkosezwischenfall ein, der allerschlimmstenfalls sogar mit dem Tod des Patienten enden kann. Das Risiko eines Patienten, einen solchen Narkosezwischenfall zu erleiden, ist sehr verschieden und hängt in erster Linie von bestehenden Krankheiten innerer Organe (z.B. Leber, Niere), des Blutbildes (z.B. bei Blutarmut), des Kreislaufsystemes (z.B. Herzklappenfehler, Herzmuskelerkrankung, Herzrhythmusstörung) und des Atmungsapparates (z.B. Lungenwassersucht, Lungenentzündung) ab. Auch die Grunderkrankung, wegen der die Narkose notwendig wird, kann einen massiven Einfluß haben. So ist insbesondere bei Darmfremdkörpern, Magendrehung, Gebärmuttervereiterung und Unfallpatienten das Risiko für eine Narkose deutlich höher als z.B. bei einer routinemäßigen Zahnsanierung.

prall mit Eiter gefüllte Gebärmutter     Hier sehen Sie die prall mit Eiter gefüllte Gebärmutter einer Katze. Das Tier hatte Fieber, Apathie und Kreislaufschwäche. Das Narkoserisiko war deshalb deutlich erhöht, denn Giftstoffe aus dem Eiter gelangen in die Blutbahn und führen zur Blutvergiftung - Sepsis. Dank schonender Inhalationsnarkose geht es der Mieze inzwischen wieder blendend, es gibt keinerlei Folgeschäden.

Um das Narkoserisiko so gering wie möglich zu halten, wird jeder Patient von uns gründlich vor der Narkose untersucht. Sollten wir Zweifel am Gesundheitszustand haben, werden wir Ihnen zu weiteren Untersuchungen raten, wie z.B. einer Blutuntersuchung von Leber und Niere, Blutdruckmessung oder EKG. Das Alter des Patienten kann aufgrund von häufiger auftretenden Organkrankheiten ebenfalls das Risiko steigern. Bei kleinen Hunden und Katzen gilt, dass nach ca. 8 Jahren, bei mittl. Hunden nach 7 Jahren und bei großen Hunden nach 6 Jahren eine vor der Narkose durchzuführende Blutuntersuchung anzuraten ist. So können wir bei der Narkose Rücksicht auf evtl. Organschäden (z.B. Niere, Leber) nehmen und unliebsame Überraschnungen vermeiden. Wenn Sie eine solche Untersuchung wünschen, teilen Sie dies bitte möglichst sofort mit (Zusatzkosten: je nach Fall ca. € 25,- bis 50,-).

Verschiedene Narkosetechniken

Zum Glück für Mensch und Tier gibt es eine Vielzahl verschiedener Narkosemedikamente, die einen unterschiedlichen Einfluß auf die verschiedenen Strukturen des Körpers haben. In Abhängigkeit von der Art des geplanten Eingriffs und den bekannten Risikofaktoren dieses speziellen Patienten wird für jedes Tier und jeden Eingriff individuell die Narkoseart und die Menge und Kombination von Narkotika ausgewählt. Die Patienten erhalten in den meisten Fällen einen Venenkatheter, so dass die Dosierung der Narkose rasch an die Bedürfnisse angepaßt werden kann; auch bei einem Zwischenfall kann sofort eingegriffen werden.

Bei länger dauernden Eingriffen erfolgt nach der Narkoseeinleitung über den Venenkatheter oder eine Spritze in die Muskulatur die Vertiefung und Erhaltung der Narkose über eine Gasnarkose. Bei dieser humanmedizinischen Standardmethode bekommt das schlafende Tier einen Gummi- oder Silikonkatheter durch die Maulhöhle in die Luftröhre gelegt. Dieser Katheter wird mit einem Narkosegerät verbunden, so dass bei jedem Atemzug des Patienten eine individuell einstellbare Menge Narkosegas in den Patienten gelangt. Diese Art der Narkose gilt als die am besten steuerbare und risikoärmste Methode. Im Notfall kann der Patient auch über das Gerät künstlich beatmet werden.

Sog. Monitorgeräte helfen bei der Narkoseüberwachung. So verfügen wir z.B. über ein Dauer-EKG-Gerät, welches Störungen der Herzaktion des Patienten anzeigt, und einen Pulsoximeter/Kapnographen, der die lebenswichtigen Atemgase (Sauerstoff+CO2) sowie Atem- und Pulsaktion überwacht. Nach der Narkose bringen wir Ihr Tier in eine spezielle Aufwachbox, in der es auf einer weichen und warmen Unterlage, bestrahlt von einer Wärmelampe, aufwachen kann. Dabei wird es je nach Fall evtl. auch noch mit einer Dauertropfinfusion oder Sauerstoffdusche versorgt.

    Gas-Narkosegerät und Monitore für die Narkoseüberwachung

Was kann ich als Besitzer tun?

Vorbericht

Auch Sie können dabei helfen, die Narkose für Ihren Liebling so schonend wie möglich zu gestalten: informieren Sie uns unbedingt, wenn Ihr Tier auffallend schlecht Futter aufnimmt oder übergroßen Durst hat. Vergessen Sie nicht, uns auch alle anderen Auffälligkeiten oder Symptome zu nennen.

Am Tag vor der Narkose

(Gilt nicht für Kaninchen, Meerschweinchen u.A. Kleinsäuger) Geben Sie Ihrem Tier am Abend vor der Narkose das letzte Mal etwas Futter. Wasser darf bis ca. eine halbe Stunde vor der Narkose noch getrunken werden. Durch den Einfluß der Narkose auf die Magen-Darm-Aktivität und den Gleichgewichtssinn kann es sonst zum Erbrechen kommen. Da der Patient bereits schläft, besteht deshalb die Gefahr, an Erbrochenem zu ersticken. Außerdem ist beim gefütterten Patienten die Kreislaufsituation generell schlechter (deshalb soll man auch nicht mit vollem Bauch schwimmen gehen).
Achtung: Freigänger-Katzen müssen über Nacht eingesperrt werden, da sie sonst evtl. in der Nachbarschaft mitfressen oder Mäuse fangen!

Nach der Narkose

Die Narkose führt zu einer Erniedrigung der Körpertemperatur, deshalb sollten Sie Ihrem Liebling zu Hause ein warmes und ruhiges Plätzchen einrichten, wo er in Ruhe seinen "Rausch" ausschlafen kann. Weiche, warme Unterlagen und ggf. eine Decke nahe an der Heizung sind anzuraten. Gönnen Sie Ihrem Tier Ruhe zur Erholung, bitte nicht (auch wenn’s schwerfällt) streicheln und kraulen - Sie stören so die Nachschlafphase. Je nach Tierart, Rasse, Einzeltier, Erkrankung und Medikamenten wird die Nachschlafphase verschieden lange andauern. Die meisten Patienten sind nach 3 bis 5 Stunden schon wieder in der Lage, einige Schritte zu laufen, aber ein Rauschzustand kann in seltenen Fällen bis zu drei Tagen anhalten. Erschrecken Sie nicht, wenn Ihr Tier schreit oder heult! Dies geschieht unbewußt und ist kein Zeichen von Schmerzen. Viele Katzen zeigen Drangwandern, d.h. sie versuchen unbewußt aufzustehen und umherzulaufen, wobei sie wie Betrunkene torkeln und umfallen. Die Katze kann sich in diesem Zustand leicht verletzten oder stürzen! Lassen Sie die Katze deshalb besser in Ihrem Transportkäfig, oder einem "sicheren" Zimmer, bis sie wieder richtig wach ist.
Wasser erst wenn Ihr Liebling wieder "voll bei sich ist", Wasser anbieten (nach ca. 4 Stunden).
Futter erst am nächsten Morgen Futter anbieten, es sei denn, Sie bekommen ausdrücklich von uns die Erlaubnis, bereits am Abend etwas Futter zu geben.
Ausnahme Kleinsäuger sollen unmittelbar nach der Narkose wieder Futter und Wasser bekommen!

Mögliche Zusatzleistungen

Sie haben die Möglichkeit, Ihr Tier während der Narkose zu tätowieren und/oder mit einem elektronischen Chip zu kennzeichnen. Die Mikrochipkennzeichnung ist seit Sommer 2004 übrigens für den Reiseverkehr innerhalb der EU-Staaten zwingend für Hunde, Katzen und Frettchen vorgeschrieben. Die Daten werden an ein Haustierzentralregister gemeldet, für den Fall, dass Ihr Liebling verloren gehen sollte. Auch Krallen und Ohrbehandlungen sind unter Narkose schmerzlos möglich.


Kleintierpraxis Möller-Seeling, Berstadt, 30.06.2004